Bei meiner Arbeit unterhalte ich mich derzeit häufig mit „Betreuten“ zum Thema Kinderhaben. Zum einen sind das Leute, die einfach großes Interesse am Leben mit Kleinkind haben, aber auch Leute mit einem eigenen Kinderwunsch. Das Thema Kinderwunsch/-haben von Menschen mit Behinderung ist ja ein sehr umstrittenes, bei dem ich froh bin, dass ich da nur eine Meinung haben darf und keine Entscheidung treffen muss. Denn die Entscheidung zu einem Kind (oder eben nicht) sollten die Menschen mit Behinderung, so wie alle anderen auch, selbst treffen… im Idealfall.
Jedenfalls bin ich da als Mama eines Kleinkindes gerade eine beliebte Ansprechpartnerin.
Jüngst erzählte mir eine junge Frau, das könne ja nicht so anstrengend sein. Schließlich sei ich immer frisch und lustig, trotz Kind und Beruf (ich arbeite 30 Stunden in der Woche). Erst dachte ich, ja wahnsinn, was für ein Bild ich auf andere Menschen mache. Eine starke, total stressfreie, berufstätige Mutti, die Kind, Ehe und Haushalt voll im Griff hat. Dann wurde mir allerdings klar, dass dieser Eindruck so entsteht, weil ich mich so darstelle, obwohl ich mich selbst nicht so sehe bzw. fühle.
Natürlich sieht „meine Betreute“ immer nur Ausschnitte meines Lebens:
- Sie sieht nicht die Flecken diverser Körperflüssigkeiten und Mahlzeiten auf meinen Klamotten, da ich mich umziehe bevor ich zur Arbeit gehe.
- Sie sieht nicht das Chaos des schränkeausräumenden Männleins, dem ich nichts mehr entgegenzusetzen habe außer wegschauen. Denn wenn sie in meine Wohnung kommt, dann nur in den Eingangsbereich.
- Sie sieht nicht, wie ich bemüht bin, für meine Familie Mittag zu kochen, während das Männlein motzend an meinem Bein hängt, weil er auf meinen Arm will.
- Sie sieht nicht, wie das Männlein abends einfach nicht einschlafen will, obwohl es total übermüdet ist. An solchen Abenden sitze ich oft im Dunkeln und versuche nicht frustriert an die Dinge zu denken, die ich gerne tun würde und die ich tagsüber nicht tun kann…
- Sie sieht nicht wie erschöpft ich mich morgens aus dem Bett aufraffe, nachdem das Männlein nachts mal wieder alle zwei Stunden aufgewacht ist. Und Dank dem Kokosöl, dass ich mir morgens immer unter meine Augen in die Haut einmassiere sieht sie auch nicht meine dunklen Augenränder.
- Sie sieht nicht, wie unzulänglich ich mich als Mutter fühle, an Tagen an denen ich viel arbeite und deswegen kaum Zeit für das Männlein habe.
- Und sie sieht auch nicht, wie mein Gehirn sich durch dauerhaften Schlafmangel in ein Sieb umwandelt. Ehrlich, wenn ich mir Sachen nicht aufschreibe, verschwinden sie einfach in einem schwarzen Loch.
Alles was sie sieht und was auch ich früher bei anderen nur gesehen habe, ist eine Frau, die arbeitet und zu Hause ein Kind hat.
(Meine Güte, wenn ich mir das jetzt gerade so durchlese, frage ich mich, warum ich eigentlich unbedingt noch mehr Kinder haben will!?)
Ein Kind zu haben, ist total schön. Ich liebe es zu beobachten, wie das Männlein sich entwickelt und neue Sachen lernt. Ich finde es auch nach 15 Monaten großartig und erstaunlich ihn anzuschauen und zu wissen, dass er in meinem Bauch herangewachsen ist… dass er es war, der mich am Ende der Schwangerschaft immer so fies in die Seite getreten hat. Und ich kann mich kaputtlachen über seine humorvolle kleine Persönlichkeit. Ich freue mich darauf, zu sehen, was noch so aus ihm wird und wie er irgendwann als großer Bruder ist.
Aber ein Kind ist auch sooo viel Verantwortung. Man muss (meiner Meinung nach) gerade in den ersten Jahren immer die Bedürfnisse des Kindes in den Vordergrund stellen. Tja und naja, was soll ich sagen… da kommen Sachen die ich möchte oder auf die ich gerade spontan Lust habe natürlich gar nicht erst an die Reihe. Es gibt so viele Dinge im Leben mit Kind, die einen anstrengen und auch verunsichern und die einfach dazu gehören… die Stillmarathone am Anfang, die schlaflosen Nächte und das daraus resultierende Gefühl nicht mehr weiter zu können, die Hilflosigkeit wenn das Kind trotzt,… das sind ja nur einige Beispiele. Von diesen Dingen haben mir Freundinnen mit Kindern schon berichtet, bevor ich überhaupt nur ans Schwangerwerden gedacht habe. Was das wirklich bedeutet, begreift man allerdings erst, wenn man selbst Mutter ist.
Nein Mama sein, ob nun berufstätig oder nicht, ist nicht einfach. Es ist anstrengend, erfordert eine Menge an Übersicht, Geduld und Kraft… Aber, es ist total schön.