Manchmal

Letztens musste ich mit einer „Betreuten“ zum Arzt. Da es sich auf die Schnelle nicht anders organisieren ließ, nahm ich Männlein mit. Das fand ich allerdings nicht weiter tragisch, da ich wußte, dass es bei dem Arzt eine tolle Spielecke im Wartezimmer gab.

Dort angekommen spielten schon zwei Schwestern (etwa zwei und sechs Jahre alt) in der Spielecke. Männlein freute sich. Er genießt es immer, größeren Kindern zu zusehen. Zunächst konnte ich die Schwestern keiner Mutter zuordnen. Als die beiden jedoch begannen, kiechernd um den Zeitschriftentisch herum fangen zu spielen, blickte plötzlich eine dicke Frau aus ihrem Smartphone auf und bellte:“ Marina, Laura! Was habe ich euch gesagt? Ihr sollt ruhig sein!“ Das war mal eine Ansage… ich hatte eigentlich bisher nicht den Eindruck gehabt, dass die anderen Leute sich gestört gefühlt hatten. Einige tauschten irritierten Augenkontakt aus. Die Mädchen setzten sich in die Spielecke und malten. Die dicke Mutter widmete sich wieder zufrieden ihrem Smartphone.

Da es sehr warm war, standen die Türen vom Wartezimmer und vom Eingang offen. Männlein lief fröhlich immer wieder nach draußen und wenn ich ihm hinterherging, um ihn wieder einzufangen, lachte er sich kaputt. Von diesem Spiel inspiriert fingen die Schwestern ebenfalls an rein und raus zu laufen. Zunächst bekam die Mutter da gar nichts von mit. Doch als sie von ihrem Handy aufblickte und die Mädchen gerade draußen am Fenster vorbeiflitzten, brüllte sie: „Laura! Marina! Sofort kommt ihr wieder rein! Aber zackig!“ Dabei war sie so laut, dass ich und wahrscheinlich noch einige andere Leute zusammenzuckten. Brav kamen die Schwestern zurück.

Es war langweilig. Irgendwie war viel los und die Warterei zog sich ewig hin. Die größere von den beiden Schwestern musste aufs Klo und teilte dies ihrer kleinen Schwester mit. Nach einer Weile bemerkte die Mutter das Fehlen einer ihrer Töchter und rief lautstark nach ihr. Da diese ja auf dem Klo saß, kam sie eben nicht sofort zurück. Mit einem ärgerlichen Laut, steckte die Mutter ihr Smartphone in ihre Tasche und stemmte sich aus ihrem Stuhl. Auf dem Weg zur Tür schimpfte sie, weil das Kind nicht artig zurück kam. Ich teilte ihr mit, dass sie aufs Klo gegangen war und sicher gleich zurückkäme. Verdutzt schaute sie mich an und ging dann weiter zum Patienten-WC. Sie wartete vor der Tür und als ihre Tochter da raus kam, packte sie sie am Oberarm und brachte sie zurück ins Wartezimmer. Dort setzte sie sie in der Spielecke auf einen Stuhl und Verkündete: „So, hier bleibt ihr jetzt und spielt! Ich habe doch keine Lust, euch die ganze Zeit hinterherzurennen!“ Sprachs, kehrte wieder auf ihren Platz zurück und angelte sich ihr Smartphone aus der Tasche.

Zum Glück wurde die Frau mit den beiden Mädchen kurze Zeit später aufgerufen. Denn an den Gesichtern der anderen Wartenden und auch an meinen eigenen Gedanken konnte ich die sich nahenden Auseinandersetzungen, die Ratschläge, die Kommentare schon wahrnehmen. Noch eine Situation und ich hätte meinen Mund nicht mehr halten können, so mancher Spruch im Raum bestätigte mir, dass es auch anderen so ergangen war. Ich glaube, niemanden hat der „Lärm“ der Mädchen gestört. Alle haben sich darüber gefreut, wie schön die Schwestern miteinander gespielt haben.  Was sicher jeden genervt hat, war das Motzen und Schreien der Mutter. Ich will niemanden Verurteilen, ich kenne die Frau nicht und auch nicht die familiäre Situation. Aber wenn ich sehe, dass eine Mutter nur am Smartphone hängt, gar nicht wahrnimmt, was die Kinder treiben und dann auch noch nur laut wird, wenn sie mal was wahrnimmt… Oh je. So etwas zu beobachten, lässt mich hoffen, dass ich niemals so stumpf das Smartphone dem Kind vorziehe. Es ist doch schon beängstigend, wie sehr wir als Elterngeneration schon auf diese Sachen versiert sind. Was soll da erst aus unseren Kindern, die ja mit noch mehr Technik aufwachsen, werden.