Blöde Mama

Männlein ist voll angekommen. In der sogenannten Autonomiephase. Das bedeutet für mich eine besondere Herausforderung, denn ich merke an seinem Verhalten und wie ich darauf reagiere: Ich habe die Autonomiephase nie verlassen!!!

Das war mir bisher nicht bewusst. Auch bei der Arbeit hatte ich schon früher häufig Situationen der Reibung, in denen Leute sich klar absetzen wollten und provoziert haben. Nur da hat mich das nie besonders gestresst oder persönlich betroffen. Ich hatte da in solchen Situationen eine professionelle Distanz, die mich rational reagieren ließ. Diese Distanz fehlt mir im Umgang mit meinem Kind komplett.

Im Alltag sieht das zum Beispiel so aus. Männlein weigert sich seine Klamotten anzuziehen. Er möchte aber gerne raus. Zunächst atme ich tief durch. Versuche reflektiert zu bleiben: „Männlein es ist kalt. Zieh Sachen an, dann können wir raus gehen.“ Männlein ruft „Nein!“ und windet sich. Mit meinem dicken schwangeren Bauch kann ich ihn nicht halten. Will ich eigentlich auch nicht. Es fühlt sich über griffig an. Ich wiederhole mich eine Weile sinnlos immer wieder, werde ignoriert oder einfach nicht gehört. Langsam merke ich, wie meine Fassung flöten geht. Im Hintergrund winselt der Hund. Er hat spitz gekriegt, dass Rausgehen auf dem Plan steht. Das nervt mich noch mehr. Als nächstes fahre ich den Hund an. Das erscheint mir besser als das Kind. Quasi umgeleiteter Stressabbau. Nutzt nur leider gar nichts. Argh!!!!

Jetzt schmeiße ich wütend die Klamotten von Männlein auf den Boden. „Schön, dann gehen wir eben nicht raus! Das hast du jetzt davon.“ Ich stehe auf und gehe ärgerlich ins Wohnzimmer, um ein bisschen Raum zwischen der wütenden Mama und dem wütenden Männlein zu bringen. Der Hund winselt, Männlein schreit: „Mama, MAAAAAMA!? Arm?“ Oje, jetzt hat er meinen Ärger doch abbekommen. Ich gehe zurück, nehme ihn auf den Arm, der Hund winselt immer noch. Wir sind jetzt alle genervt. Am Besten kuscheln Männlein und ich jetzt kurz, dann können wir es ja noch mal versuchen. Männlein schlingt seine Arme um meinen Hals. Wie kann man da noch böse sein? Ich frage: „Willst du raus gehen?“ Männlein ruft begeistert „Raus! Raus!“ „Gut!“ sage ich, „Dann müssen wir erst etwas anziehen!“ Und siehe da, die Atmosphäre ist umgeschlagen, durch das kurze Kuscheln, hat mein Stress sich abgebaut. Männlein lässt sich einfach so anziehen und wir könne raus gehen.

Es gibt zig andere solcher Situationen: beim Essen, Einkaufen, etc. … und eigentlich streikt Männlein nur bei mir. Ich weiß, dass das unglaublich viel mit mir zu tun hat. Bei Cristobal oder der Oma passieren solche Situationen äußerst selten. Bei mir kommt das täglich vor. Es ist, als würde er den Trotz bei mir spüren und spiegeln. Wie furchtbar, dass ich immer wieder darauf einsteige. Aber ich kann einfach nicht aus mir heraus. So werden Männlein und ich uns wohl weiter reiben und versöhnen müssen. Halleluja, ich freue mich auf die Pubertät. Aber bis dahin habe ich ja auch noch ein bisschen Zeit erwachsen zu werden.

Die selbstbestimmte Geburt-Blogparade

Als ich den Aufruf zu der Blogparade sah, war für mich klar: Da musst du mitmachen, denn „die selbstbestimmte Geburt“ ist für mich derzeit sehr aktuell. Eigentlich ist es ein Thema, das für alle Frauen (ob nun gerade schwanger, mit Kinderwunsch oder bereits entbunden) aktuell ist. Nur leider wissen sehr viele nicht darum und werden auch nirgendwo darauf gestoßen.

Mir ging es ganz genauso, als ich mit Männlein schwanger war. Irgendwie dachte ich, für mich als Erstgebärende kommt nur eine Geburt im Krankenhaus in Frage. Dass man sich da noch über Selbstbestimmung oder Übergriffe unter der Geburt Gedanken machen kann bzw. muss, kam mir gar nicht in den Sinn. Erst als mich meine Hebamme im fünften Monat fragte, wo ich denn entbinden möchte, setzte sich bei mir ein Denkprozess in Bewegung. Eine Hausgeburt kam nun nicht mehr in Frage, da ich den Zeitpunkt eine Hausgeburtshebamme zu finden deutlich verpasst hatte. Außerdem zogen wir kurz vor der Geburt noch um und die Vorstellung mein Kind zwischen Kisten und Chaos zur Welt zu bringen erschien mir wenig attraktiv. Ich fragte im nächstgelegenen Geburtshaus an und hatte wirklich total Glück, dort so spät noch einen Platz zu bekommen.

Während der Geburtstermin immer näher rückte, nahm meine Vorstellung von der Geburt immer klarere Formen an. Ich wollte es möglichst alleine schaffen, die Positionen ausprobieren, die mir in der Situation wohltuend waren. Die Hebamme und auch Cristobal sollten einfach nur da sein, falls ich sie brauchte und für den Notfall. Auch setzte ich mich immer mehr mit Krankenhausgeburten auseinander und erfuhr von vielen Übergriffen, die dort passieren können (natürlich muss das nicht immer und überall so sein!) Eine Hebamme im Geburtshaus erzählte vom Kristellergriff, der wohl in Kliniken häufig zum Einsatz kommt (ein Arzt legt sich über den Bauch der Gebärenden, um sie so bei der Presswehe „zu unterstützen“ und das Kind so herauszupressen). Das sollte mir alles nicht passieren. Ich wollte keinesfalls auf dem Rücken liegend gebären und ehe mir jemand irgendein Kind aus der Vagina herausdrückt, hahaha… nicht mit mir.

Leider kam es dann alles ganz anders. Die Geburt begann sehr schnell, innerhalb von 1,5 Stunden hatte sich der Muttermund geöffnet. Die Pressphase dauerte ewig an und Männlein bekam Stress. Sein Herzschlag wurde unregelmäßig und schwächer und die Hebamme beschloss einen Rettungswagen zu rufen, die Geburt zu verlegen… auf dem Weg ins Krankenhaus stabilisierte Männlein sich wieder. Die Option Notkaiserschnitt war so zum Glück vom Tisch. Aber der Kreissaal war brechend voll. Meine Geburt sollte also vorangetrieben werden. Ich bekam Wehenverstärker (die laut meiner Hebamme definitv nicht nötig gewesen wären). Irgendwie hatte ich Probleme mich in dem Bett zurecht zu finden und ehe ich michs versah, wurde ich auf den Rücken bugsiert. Erschöpft von den Versuchen die Presswehen während des Verlegens weg zu atmen, konnte ich mich nicht wehren. Männleins Kopf rutschte bei den Wehen vor und danach wieder zurück (später erfuhr ich, dass das völlig normal ist… so dehnt sich das Gewebe und der Kopf passt besser durch). Die Ärztin verkündete, bei der nächsten Presswehe, würde sie mal etwas mithelfen. Und das tat sie. Sie warf sich auf mich und drückte meinen Bauch nach unten. Ich schrie vor Schmerzen. Die Ärztin wiederholte das noch einmal. Als sie zum Dritten Mal dazu ansetzte, hielt Cristobal sie davon ab. Ich bin froh, dass er sich das getraut hat. Ich hätte mich nicht mehr wehren können. Endlich war Männleins Kopf geboren. An den Rest erinnere ich mich nur noch verschwommen.

Die Trauer über das, was da mit mir gemacht wurde, die kam erst nach ein paar Wochen. Dann tauchte irgendwann Angst auf, bei der Vorstellung noch einmal schwanger zu werden und ein Kind zu gebären.

Inzwischen bin ich im achten Monat schwanger mit unserem zweiten Kind. Die erste Geburt ist nun ziemlich genau zwei Jahre her. Für Cristobal und mich war von Anfang an klar, dass es diesmal eine Hausgeburt wird. Ich dachte ich hätte vielleicht Sorge in der Schwangerschaft, dass es schief geht, dass ich wieder verlegt werden müsste. Aber eigentlich ist das kein Thema gewesen.

Ja, ich bin immer noch furchtbar traurig darüber, was mir da passiert ist. Die Stimmen der anderen Menschen, Hauptsache dem Kind geht es gut, kann ich dazu nicht mehr hören. Natürlich stimmt das. Männlein hat alles gut überstanden (allerdings konnten wir erst 24 Stunden nach der Geburt stillen. Er konnte einfach nicht die Brust finden und saugen… ich glaube da besteht ein Zusammenhang). Für mich war und ist es einfach eine große Wunde.

Eine Geburt ist doch etwas völlig natürliches. Sie gehört für mich in die Familie und nicht in ein Krankenhaus. Wir Frauen haben die tolle unglaubliche Fähigkeit Kinder zur Welt zu bringen. Ich möchte auf mich, meine Intuition und meinen Körper vertrauen und nicht auf einen Arzt, der es schnell zum Ende bringen will.

So wünsche ich mir die Geburt für unser zweites Kind. Es wird eine Familienfeier. Cristobal wird da sein, Männlein wird da sein, meine Mutter und die Hebamme. Wie wollen Geburtstag feiern… das ist zumindest mein Weg auf den ich mich vorbereite.

An dieser Stelle möchte ich noch schreiben, dass ich total einverstanden bin, wenn andere Frauen andere Vorstellungen haben und andere Geburtswege gehen. Hauptsache sie können es nach ihren Vorstellungen tun.

Informationen zur Blogparade findet ihr hier

https://erwachende-eltern.ch/die-selbstbestimmte-geburt-aufruf-zur-blogparade/

Ist das noch zu toppen?

Inzwischen bin ich in der 29. Woche meiner zweiten Schwangerschaft angelangt und die Geburt und somit auch unser Leben zu viert rückt immer näher.

Vieles fühlt sich in dieser Schwangerschaft ganz anders an als in der Ersten. Während mir bei Männlein die Tatsache, dass da ein Baby ist, total abstrakt vorkam, habe ich diesmal das Gefühl zu dem kleinen Menschen in mir schon einen richtigen Draht zu haben. Und das, obwohl wir nicht einmal wissen, was es wird.

Als ich bei Männlein den positiven Test in der Hand hielt, musste ich vor lauter Unsicherheit und Überforderung direkt noch auf einen zweiten Teststreifen pinkeln. Bei diesem Kind war das anders. Ich wusste es, ich habe zur Sicherheit einen Test gemacht, der war positiv, da habe ich einfach nur große Freude gespürt und zu Männlein gesagt (der stand da neben mir, während ich auf der Toilette saß): „Du wirst großer Bruder.“ Da gab es bei mir gar kein zweifelndes oder abstraktes Gefühl. Nur Gewissheit und Freude.

Trotzdem beschäftigt mich in letzter Zeit eine Sache: Ich liebe Männlein so sehr. Ich habe noch nie zuvor so etwas für einen anderen Menschen gefühlt. Wenn er Schmerzen hat, bin ich wie gelähmt, weil ich die irgendwie bei mir selbst spüre. Und wenn ich mir vorstelle, dass Männlein irgendetwas zustößt… dann weiß ich wirklich nicht, wie ich das aushalten soll (solche Gedanken sollte man einfach nicht zu sehr zulassen, da sie einen am Leben hindern).

Ich glaube, wenn ich sage, ich liebe Männlein mehr als mein Leben, dann trifft es die Sache ziemlich genau auf den Kopf. Auch wenn es super kitschig klingt. Und genau hier entsteht die Frage, die mich bewegt. Ist es mir überhaupt möglich noch einen Menschen so sehr zu lieben? Wird auch mit dem zweiten Kind all das, was ich mit Männlein zum ersten Mal erlebt habe so besonders und aufregend und schön sein?

Ich finde das irgendwie unvorstellbar, obwohl ich das Baby in meinem Bauch ja doch als sehr real erlebe. Ich hoffe und wünsche mir, dass ich das alles noch mal so erleben kann und dass ich noch Mal so starke Liebe entwickel. Sicher ist es möglich. Es gibt schließlich viele Eltern, die mehr als ein Kind haben und diese auch alle lieben. Aber es gibt doch auch solche Geschichten, dass ein Kind bevorzugt wird. Das macht mir Sorgen. Ich möchte nicht, dass eines meiner Kinder sich weniger geliebt fühlt als ein anderes und trotzdem macht mir die Vorstellung soviel zu Lieben irgendwie Angst. Denn, wer liebt, der hat ja auch etwas zu verlieren. Wahrscheinlich sind das einfach die wirren und hormonigen Gedanken einer Schwangeren, aber leider tauchen sie immer dann detailliert auf, wenn ich z.B. gerade eh nicht schlafen kann…