Work-life.balance im Gemeinschaftsleben

Wir leben ja in einer sozialtherapeutischen Gemeinschaft. Im Klartext bedeutet das: Wir leben in einer Gemeinschaft mit Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung. Die Menschen ohne Behinderung begleiten die mit Behinderungen in allen Bereichen, in denen sie Begleitung benötigen.

Es ist nun nicht nur so, dass wir hier leben, sondern Cristobal und ich arbeiten auch hier. Cristobal arbeitet im Werkbereich der Menschen mit Behinderung und ich im Wohnbereich. Dadurch haben wir recht versetzte Arbeitszeiten und können das Männlein im Moment noch wunderbar zu Hause betreuen. In den Zeiten, in denen unsere Arbeitszeiten sich überschneiden, springt meine Mutter gerne ein. Häufig ist es auch möglich, dass ich Männlein mit zu meiner Arbeit nehmen kann.

Und genau das ist für mich der Knackpunkt. Denn, natürlich ist auch Männlein ein Teil des Gemeinschaftslebens, aber für mich ist esjetzt mit unserer kleinen Familie viel wichtiger als früher, den Arbeitsbereich und den Privatbereich nicht zu sehr zu vermischen. Bloß, wie mache ich das nur?

Die Gründe, warum ich einer klaren Linie folgen möchte, sind relativ einfach.

1. Wenn ich Männlein dabei habe, fällt es mir schwer, mich auf die Bedürfnisse der Menschen in meiner Wohngruppe zu konzentrieren und sie dann auch richtig zu begleiten.

2. Ich möchte nicht, dass Männlein die gesammte Gemeinschaft selbstverständlich als sein zu Hause ansieht und sich selbstsicher überall bewegt. Wir leben hier mit Menschen zusammen, die zum Teil eine ganz andere Wahrnehmung von Nähe-Distanz haben und auch davon, was grenzüberschreitend ist. Ich habe einfach Sorge meinem Kind  Situationen auszusetzen, die für niemanden einsehbar sind. Wir haben eine große Wohnung, einen großen Innehof und einen privaten Garten. Das muss als freier Bewegungsraum für Männlein ausreichen, bis er gelernt hat sich selbst zu schützen.

Auf der anderen Seite finde ich es toll, allen auf dem Hof zu ermöglichen an der Entwicklung eines Kindes teilzuhaben. Immerhin lebe ich seit acht Jahren mit diesen Menschen zusammen. Sie haben auch die Schwangerschaft mitbekommen und so ist es natürlich schön, sagen zu können, dass sie auch am Aufwachsen des Kindes teilnehmen.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir als Eltern nun versuchen, den richtigen Weg zu finden, Männlein zu schützen und doch in der Gemeinschaft zu sein. . Erst gestern hatten wir einen besonderen Tag. Ich habe mit meiner Wohngruppe einen Ausflug ins Wildgatter gemacht und Cristobal ist mit Männlein mitgekommen. Ich habe mich um meine Leute gekümmert und Cristobal um das Kind. Alle hatte Freude daran zusammen mit uns als Familie die Tiere zu sehen. Solche Erlebnisse wünsche ich uns in Zukunft noch oft. Es war klar für alle ein besonderer Tag.

Im Alltag in der Gemeinschaft muss Männlein jedoch einfach lernen, dass es bestimmte Orte gibt, an die er nur in Begleitung seiner Eltern gehen darf. Ich denke allerdings, dass sich da unser Leben in einer sozialtherapeutische Gemeinschaft in dem Punkt auch nicht so furchtbar stark von dem Leben an einem anderen Ort unterscheidet. Auf jeden Fall wollen wir einen Weg finden, Männlein vor bestimmten Gefahren zu schützen, indem wir ihn sensiblisieren. Möglichst ohne ihm Angst zu machen. Ob und vor allem wie wir das hinbekommen, dass werden wir wohl noch sehen.

Lea

Lea lebt mit Freund und kleiner Tochter in einer Gemeinschaft (Lobeleihof… wer mehr darüber erfahren möchte kann auf www.lobelei.de oder https://www.instagram.com/lobeleihof/ nachschauen). Wie das Leben mit Kindern in einer Gemeinschaft so ist und warum sie sich dafür entschieden haben erzählt sie hier. Für mich ist es sehr interessant, weil ich auch in einer Gemeinschaft lebe. Ich kann hier auf jeden Fall viele Parallelen sehen.

Alles fing eigentlich mit dem Wunsch an, aus der Stadt weg zu ziehen und diesen Hof, auf dem wir jetzt leben zu kaufen. Im Oktober 2014 waren wir zu fünft. Ein Paar mit ihren zwei Kindern und ich. Eigentlich eine Wg, nur dass ich im Bauwagen gewohnt habe und sie im Haus und dass wir alle Lebensmittel geteilt haben und ich mit den Kindern geholfen habe, wir uns in Selbstversorgung versuchten und wir uns eher als Familie begriffen haben. Ich habe z.B. geholfen die Große zur Schule zu bringen oder auf den Kleinen aufzupassen, wenn seine Eltern mal gleichzeitig arbeiten waren. So ging das drei Jahre lang, immer mal wieder hatten wir Untermieter, die zu unserer Gemeinschaft gestoßen sind. Studenten oder Weltreisende, die ein paar Wochen verschnaufen wollten. Besonders im Sommer ist hier immer viel los, da wir Menschen einladen uns gegen einen Schlafplatz und Essen bei der Gartenarbeit zu helfen oder bei Renovierungsarbeiten.

Letztes Jahr im Frühjahr kam dann ein Arbeitskollege auf uns zu, wir arbeiten alle als Pädagogen an einer Waldorfschule. Ob er sich bei uns auf dem Grundstück einen Bauwagen ausbauen könnte. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Er verliebte sich in die Freundin meiner Mitbewohnerin, die mit ihren zwei Kindern zu uns zog. Und mein Freund und ich brachten das wohl schönste Andenken aus unserem gemeinsamen Frankreich Urlaub mit, ein Baby in meinem Bauch :)Unsere frisch verliebten Mitbewohner wurden auch schnell schwanger und so sind wir innerhalb eines Jahres von 5 auf 12 Menschen gewachsen.

Wir versuchen alle Verantwortung für einander zu übernehmen. So passen die großen Kinder auf die kleinen auf, oder meine Mitbewohner auf mein Baby, wenn ich mal einen Moment Ruhe brauche, wir eine harte Nacht hatten oder ich duschen gehen möchte. Auch wenn jemand krank ist, bekommt er Unterstützung. Für die Kinder gilt, natürlich, das was Mama oder Papa sagt, das hat Gewicht, aber die Bedürfnisse der anderen gelten genauso viel und sie wissen, wenn sie Probleme haben, können sie sich jedem Erwachsenen anvertrauen. Manchmal ist genau das, was sie brauchen, wenn sie frühpubertären Streit mit ihren Eltern haben, dann sind andere da um zu vermitteln.

Ach ja, die Kinder sind 10,8,5,3 und 2 bzw 2 1/2 Monate alt.

drei Jungs und drei Mädchen

So wirklich entschieden haben wir uns nicht für das Gemeinschaftsleben, es ist gewachsen, so wie wir gewachsen sind. Ich wusste zb nicht, ob der Mann, mit dem ich irgendwann eine Familie gründen würde Lust hat, auf WG leben und ich wäre auch ausgezogen, wenn er es nicht gewollt hätte, aber zum Glück ist er schnell ein sehr enger Freund von allen geworden.

Ich merke besonders bei dem 3 Jährigem, der ja in der Gemeinschaft geboren wurde, mit wieviel Selbstvertrauen er in die Welt geht. Er hat so viele Vertrauenspersonen, an die er sich wenden kann, dass er bestärkt in die Welt hinaus gehen kann. Und ich wünsche mir genau das für meine Tochter, das wir es als Gemeinschaft schaffen, das sie erst mit 3 Jahren in den Kindergarten kommt, weil wir Erwachsene so ein gutes Netz schaffen, das immer jemand zu Hause ist, um auf sie aufzupassen.