Das Kind ist krank

Männlein hat sich eine Erkältung eingesammelt. Das ist unschön, auch wenn es eben nicht weiter dramatisch ist. Er leidet, hat nachts Fieber bekommen und isst sparsam. Es tut mir leid, dass es ihm nicht gut geht und wie immer, wenn er krank ist, wünschte ich, ich könnte es ihm abnehmen. Gleichzeitig sind wir als Eltern aber auch durch das nächtliche Fieber nicht zum Schlafen gekommen. Männlein hatte Unruhezustände und tat bis zwei Uhr nachts kein Auge zu. Da ist man dann auch als Mutter und Vater am nächsten Tag gerädert. Damit das kranke Männlein sich tagsüber gut aufgehoben fühlt, habe ich meine Arbeit so geschoben, dass ich alles in den Zeiten erledige, in denen Cristobal zu Hause ist. Das hat schon einmal ganz gut geklappt, so muss wenigstens keiner die kostbaren Krankentage für das Kind verwenden. Ein bisschen blöd ist es dann natürlich trotzdem, denn momentan ist weder bei der Arbeit noch zu Hause eine Erholungspause für mich möglich. Und so merke ich, dass auch bei mir der Hals bissel brennt und die Nase juckt und etwas Druck auf den Stirnhöhlen liegt… prima, habe ich mich also bei Männlein angesteckt. Das ist doch der Klassiker. So geht die Seuche dann wohl bei uns reihum. Ich hatte mir doch gewünscht an Stelle von Männlein krank zu sein und nicht mit ihm. Das hatten wir schon mal im Frühjahr, nur dass ich dann auch noch so krank war, dass ich mit Fieber im Bett lag und Cristobal sich krankschreiben lassen musste, damit wir versorgt waren. Bleibt nur zu hoffen, dass es diesmal nicht so dramatisch wird. Am Besten man denkt nicht darüber nach, dann geht es bestimmt an mir vorbei. Und Männlein? Der ist wahrscheinlich morgen oder sogar nach dem Mittagsschläfchen schon wieder fit. Denn das habe ich schon beobachtet, wenn ich mich ein bis zwei Wochen mit einer Erkältung herumschlage, ist es bei ihm nach zwei Tagen schon vorbei.

Zahnputzdramen

Zähneputzen ist mir wichtig. „Vor dem Schlafen nach dem Essen Zähneputzen nicht vergessen“ ist so etwas wie ein Leitsatz für mich. Männlein hasst es. Dabei isst er so gerne und viel Obst, dass die Fruchtsäure und der Fruchtzucker natürlich die Zähne angreifen würde, würde man sie nicht regelmäßig putzen…

Inzwischen haben wir uns eingegroovt. Ich setze Männlein auf den Waschbeckenrand, so kann er in den Spiegel gucken, mit dem Wasserhahn oder wahlweise mit meiner elektrischen Zahnbürste spielen. Zwischendurch öffnet er mehr oder bereitwillig den Mund und ich kann ihm etappenweise die Zähne putzen. Er nimmt auch gerne selber die Zahnbürste, steckt sie sich aber dann meist falschherum in den Mund. Das ist also nicht so wahnsinnig effektiv. Trotzdem lasse ich ihn, mit der Aussicht, dass er irgendwann ja selber die Zähne putzen soll, macht es ja durchaus Sinn, dass er die Zahnbürste selbst ergreift.

So „einfach“ wie jetzt, war das mit dem Zähneputzen nicht immer. Dabei habe ich den Ratschlag vom Kinderarzt, als Männlein etwa ein halbes Jahr als war beherzigt. Der riet mir damals nämlich, dass ich Männlein mit einem Fingerling die Kauleisten massiere, damit er sich schon einmal an das Zähneputzen gewöhnt. Männlein fand das dann auch ganz gut und lustig. Als dann allerdings vier Monate später der erste Zahn erschien, war das gut und lustig schnell vorbei. Männlein bekam innerhalb recht kurzer Zeit mehrere Zähne und das Zähneputzen tat ihm weh. Ich veruchte es mit einer Fingerbürste aus Silikon, die er auch lieber annahm. Aber optimal war es nicht und mehrmals biss er mir ordentlich auf den Finger.

Ich wollte auch kein Zahnputztrauma bei Männlein verursachen, indem ich ihn fixierte oder ähnliches. So kam es, dass ich ihm mal mehr mal weniger gut die Zähne putzen konnte. Komplizierter wurde es dann, als Männlein anfing zu laufen. Er zettelte häufig ein albernes Fangspiel an, wenn es mal wieder an der Zeit war. Daraus entstand dann aber eine lustige Stimmung, die ich gut nutzen konnte, um ihm letztendlich doch noch die Zähne zu putzen.

Jetzt läuft es im Gegensatz zu der Anfangszeit ausgesprochen gut. Ich habe Männlein immer erklärt, warum Zähneputzen notwendig ist und immer geschaut, was er selbst übernehmen kann oder ihn im zweifelsfall auch mal ablenkt. Lustig ist zum Beispiel gegenseitiges Zähneputzen. Männlein lässt jetzt auch immer  das Wasser zum Nachspülen selbst in den Becher laufen. Das ist ihm wichtig.

Wir sind auf einem guten Weg und das macht mich froh. Denn wie um alles in der Welt soll ein kleines Kind es verstehen, wenn es schmerzhaften Karies hat und beim Zahnarzt gebohrt werden muss?

„Mama“, „Kacka“, „Daaaa!?“

Männleins Wortschatz wächst stetig an. Er kann schon „Shwein“, „Kuh“ und „Katze“ sagen  und noch vieles mehr.

Interessant finde ich eigentlich eher, was er so von sich gibt, wenn er die Worte eben noch nicht kann. Da er immer noch nicht „Papa“, „Oma“ oder „Opa“ sagt, muss „Mama“ eben für alle funktionieren. Inzwischen ist es sogar so, dass Männlein allgemein zu allen Menschen Mama sagt. Schauen wir uns einen Katalog an und da ist ein Baby abgebildet: „Mama!“ Gehen wir spazieren und jemand kommt uns entgegen: „Mama!“ Da bekommt das Wort ganz schön vielfältige Bedeutungen.

Auch „Kacka“ ist sehr beliebt. Natürliich kennt er das Wort durch unseren Gebrauch über seinen Windelinhalt. Für ihn ist „Kacka“ gleichzusetzen mit Pipi, Kacka, Windel, Toilette, Hundehaufen und jegliche Dinge, die in einer gewisse Konsistenz am Boden liegen. Allerdings kommt es auch immer wieder vor, dass er zu Dingen „Kacka“ sagt, die so gar nichts mit Fäkalien zu tun haben. Da bin ich allerdings noch nicht dahinter gekommen, wie er das dann meint. Was mich aber ungemein freut, ist dass er seit einiger Zeit meistens Bescheid gibt, wenn er „Kacka“ (in welcher Form auch immer) in der Windel hat.

Das dritte, universell gebrauchte Wort ist „Daaaa!?“ Und zwar genau in dieser langgezogenen, ausrufezeichigen, fragenden Betonung. Meist so laut gekreicht, dass man Gefahr auf einen Gehörsturz läuft, sollte man gerade das Ohr zu nahe dran haben. „Daaaa!?“ kommt zum Einsatz, wenn Männlein etwas sieht, dass er sehr toll findet (z.B. ein Trecker, Fahrrad, Kuh, Schwein oder der Papa). Dann deutet er mit dem Finger darauf, kreischt „Daaaa!?“ und läuft zielstrebig in die Richtung. Auch wenn wir z.B. ein Bilderbuch anschauen und Männlein möchte, dass ich diverse Tiergeräusche der darin abgebildeten Tiere nachmache, wird das „Daaaa!?“ dringend gebraucht. Die Lautstärke ist dabei steigend. Bin ich vielleicht gerade abgelenkt oder ähnliches, wird es mir immer lauter entgegengeschrien, bis ich endlich „Muh“ oder „Trörö“ oder sonst was mache.

Ich bin begeistert, wie vielfältig und doch sinnvoll Kinder in ihrer Sprachenwicklung Worte verwenden, wenn ihnen die richtigen Begriffe noch nicht geläufig sind. Über Männleins erste Worte habe ich ja schon einmal geschrieben

Erste Worte

 

Work-life.balance im Gemeinschaftsleben

Wir leben ja in einer sozialtherapeutischen Gemeinschaft. Im Klartext bedeutet das: Wir leben in einer Gemeinschaft mit Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung. Die Menschen ohne Behinderung begleiten die mit Behinderungen in allen Bereichen, in denen sie Begleitung benötigen.

Es ist nun nicht nur so, dass wir hier leben, sondern Cristobal und ich arbeiten auch hier. Cristobal arbeitet im Werkbereich der Menschen mit Behinderung und ich im Wohnbereich. Dadurch haben wir recht versetzte Arbeitszeiten und können das Männlein im Moment noch wunderbar zu Hause betreuen. In den Zeiten, in denen unsere Arbeitszeiten sich überschneiden, springt meine Mutter gerne ein. Häufig ist es auch möglich, dass ich Männlein mit zu meiner Arbeit nehmen kann.

Und genau das ist für mich der Knackpunkt. Denn, natürlich ist auch Männlein ein Teil des Gemeinschaftslebens, aber für mich ist esjetzt mit unserer kleinen Familie viel wichtiger als früher, den Arbeitsbereich und den Privatbereich nicht zu sehr zu vermischen. Bloß, wie mache ich das nur?

Die Gründe, warum ich einer klaren Linie folgen möchte, sind relativ einfach.

1. Wenn ich Männlein dabei habe, fällt es mir schwer, mich auf die Bedürfnisse der Menschen in meiner Wohngruppe zu konzentrieren und sie dann auch richtig zu begleiten.

2. Ich möchte nicht, dass Männlein die gesammte Gemeinschaft selbstverständlich als sein zu Hause ansieht und sich selbstsicher überall bewegt. Wir leben hier mit Menschen zusammen, die zum Teil eine ganz andere Wahrnehmung von Nähe-Distanz haben und auch davon, was grenzüberschreitend ist. Ich habe einfach Sorge meinem Kind  Situationen auszusetzen, die für niemanden einsehbar sind. Wir haben eine große Wohnung, einen großen Innehof und einen privaten Garten. Das muss als freier Bewegungsraum für Männlein ausreichen, bis er gelernt hat sich selbst zu schützen.

Auf der anderen Seite finde ich es toll, allen auf dem Hof zu ermöglichen an der Entwicklung eines Kindes teilzuhaben. Immerhin lebe ich seit acht Jahren mit diesen Menschen zusammen. Sie haben auch die Schwangerschaft mitbekommen und so ist es natürlich schön, sagen zu können, dass sie auch am Aufwachsen des Kindes teilnehmen.

Es ist ein schmaler Grat, auf dem wir als Eltern nun versuchen, den richtigen Weg zu finden, Männlein zu schützen und doch in der Gemeinschaft zu sein. . Erst gestern hatten wir einen besonderen Tag. Ich habe mit meiner Wohngruppe einen Ausflug ins Wildgatter gemacht und Cristobal ist mit Männlein mitgekommen. Ich habe mich um meine Leute gekümmert und Cristobal um das Kind. Alle hatte Freude daran zusammen mit uns als Familie die Tiere zu sehen. Solche Erlebnisse wünsche ich uns in Zukunft noch oft. Es war klar für alle ein besonderer Tag.

Im Alltag in der Gemeinschaft muss Männlein jedoch einfach lernen, dass es bestimmte Orte gibt, an die er nur in Begleitung seiner Eltern gehen darf. Ich denke allerdings, dass sich da unser Leben in einer sozialtherapeutische Gemeinschaft in dem Punkt auch nicht so furchtbar stark von dem Leben an einem anderen Ort unterscheidet. Auf jeden Fall wollen wir einen Weg finden, Männlein vor bestimmten Gefahren zu schützen, indem wir ihn sensiblisieren. Möglichst ohne ihm Angst zu machen. Ob und vor allem wie wir das hinbekommen, dass werden wir wohl noch sehen.