Abstillwege

Unser Männlein ist inzwischen 18 Monate alt und immer häufiger werde ich gefragt, wann ich ihn denn nun endlich abstille. Es werden in dem Zusammenhang auch Sorgen um Männleins Psyche geäußert oder, dass ich ihn zu einem Muttersöhnchen erziehe. Eigentlich berührt mich das alles nicht sosehr, da ich es besser weiß. In solchen Gesprächen sage ich einfach, dass wir mitten im Abstillprozess stecken.

Und das stimmt ja auch. Manche Mütter stellen das Stillen abrupt ein und manche schleichen es aus. Im Prinzip fängt das Abstillen doch mit der Beikosteinführung an. Also stillen wir seit ca. einem Jahr ab. So sage ich das allerdings meinen kritischen, besorgten Mitmenschen nicht, da das ja schon auch ein bisschen wie eine Ausrede klingt. Für mich ist das „Langzeitstillen“ derweil einfach kein Thema mehr, über das ich mich mit irgendwem streiten muss. Ich tue es einfach so, wie es mir und Männlein gut tut. Ich denke, wie lange eine Mutter ihr Kind stillt, ist einfach ihre Entscheidung und geht ansonsten niemanden etwas an. Ich kann gerade nicht einmal sagen, ob ich mein nächstes Kind auch so lange Stillen würde. Bei Männlein habe ich es vorher nicht gewusst, es hat sich einfach so ergeben und es ist gut, wie es ist.

Bis vor etwa einem Monat habe ich auch wirklich noch sehr viel gestillt. Allerdings habe ich seit vier/fünf Monaten immer so etwa 10 Tage vor meiner Menstruation so ganz unangenehme Empfindungen beim Stillen. Es ist nicht schmerzhaft, aber es fühlt sich (aus Mangel an passenden Worten) super nervig an. Eine Weile habe ich das einfach ausgehalten und durchgezogen. Aber ich finde jeden Monat zehn Tage mit so einem unangenehmen gestressten Gefühl beim Stillen zu viel. Das war für mich der Punkt, das ich etwas ändern musste an unserer Stillbeziehung. Ganz beenden wollte ich es dann jedoch auch nicht. Denn wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Ich habe mir also Gedanken gemacht, wie es für mich einfacher und erträglicher (gerade in der PMS-Zeit) wird. Da Männlein eigentlich ein ausgesprochen guter Esser ist, habe ich mich entschieden, ihn tagsüber nicht mehr zu stillen. Am Anfang war das wirklich nicht so einfach, weil er es gewohnt war, immer und überall an die Bar gelassen zu werden. Ich habe mir überlegt, ihn nur noch im Bett zu stillen  und auf keinen Fall mehr an anderen Orten. Auch bemühe ich mich, mich im Moment z.B. nicht vor Männlein umzuziehen. Denn jedes Mal wenn er meine Brüste sieht, will er ran. Die erste Woche war nicht ganz einfach. Ich habe ihn in der ganzen Zeit vorher so oft auf dem Sofa gestillt, dass ich mich in den ersten Tagen einfach nicht aufs Sofa setzen konnte, ohne bei ihm die Milchlust zu triggern. Inzwischen hat er es aber sehr gut angenommen. Wenn er tagsüber Bedürfnis nach Nähe hat, dann Kuscheln wir halt einfach so. Zum Einschlafen stille ich ihn. Wenn Cristobal Männlein ins Bett bringt, fällt das allerdings auch weg. Meistens ist dann Nachts noch einmal die Brust gefragt und am frühen Morgen. Es klappt prima und auch in den Tagen vor meiner letzten Periode konnte ich es auf diese Weise gut aushalten.

Ich finde wir haben gerade einen ganz entscheidenden nächsten Schritt beim Abstillen gemacht. Wann ich mit dem nächtlichen Stillen aufhöre, darum mache ich mir dann Gedanken, wenn sich das auch nicht mehr richtig anfühlt oder es ergibt sich einfach von ganz allein.

Ja! Ich stille noch…

Zugegeben: Unsere Stillbeziehung fing nicht gerade entspannt an. Nachdem die geplante Geburtshausgeburt doch im Krankenhaus endete, zeigte mir eine Krankenschwester zwischen Tür und Angel, wie ich anlegen sollte. Mir war unwohl, ich konnte wegen der Geburtsverletzungen keine bequeme Position finden. Es klappte nicht.

Fünf Stunden nach der Geburt fuhren wir nach Hause. Dort wollte ich es mir im Bett gemütlich machen und es in Ruhe probieren. Ich legte an und… das Männlein trank nicht.

Oh Mann, wie blöd das war. ich war so erschöpft von der Geburt, hatte seit zwei Nächten nicht geschlafen und nun wurde ich damit konfrontriert,  dass mein Kind verhungert.

Am Nachmittag kam meine Hebamme. In der Zwischenzeit hatten wir etwas geschlafen. Ich hatte geduscht und mir den Schweiß von der Geburt abgespült. Meine Hebamme zeigte mir in Ruhe, wie ich anlegen sollte und doch klappte es zunächst nicht. Erst am Abend gegen zehn gelang es, dass das Männlein das erste Mal kräftig zu saugen begann. Was für eine Erleichterung aber auch irgendwie schmerzhaft.

In den darauf folgenden Tagen waren meine Brustwarzen sehr empfindlich. Dann kam das erste Dauerclustern. Männlein saugte zwölf Stunden durchgängig an mir herum. Die Brustwarzen wurden blutig und jedes Anlegen tat furchtbar weh. Noch heute 15 Monate später erinnere ich mich an meine Schmerzenstränen in dieser Nacht. Ich versuchte mich mit Harry Potter lesen abzulenken und stillte tapfer weiter bis Männlein um fünf Uhr Morgens endlich schlief und ich auch. Niemand hatte mir jemals etwas vom Clustern und Milchbestellen erzählt.

Ich schwor mir, nach sechs Monaten stille ich ab. Doch dann spielte sich die ganze Sache ein. Wir führten mit sechs Monaten Beikost ein und das klappte auch prima. Männlein bekam seine drei Hauptmahlzeiten und in der Zwischenzeit und Nachts stillte ich. Auf unserer Reise nach Chile war es unglaublich praktisch. Wir hatten im Flugzeug und auch auf langen Fahrten einfach den Snack dabei. Und auch als Männlein seinen Leistenhoden operiert bekam, konnte ich ihn noch im Aufwachraum stillenderweise beruhigen.

Das  Männlein ist jetzt 15 Monate alt und ich genieße unsere gemeinsamen Stillzeiten. Dabei entspannen wir beide und haben eine kleine Auszeit von dem, was gerade um uns herum geschieht.

Nun ist es so, dass viele Menschen sich daran stören, dass ich noch stille. Und wenn es nicht stört, dann irritiert es doch. Mir werden die lustigsten Sachen gesagt

  • Das Kind wird sich nie von dir lösen (stimmt nicht… wenn ich nicht bei ihm bin, ist er sehr ausgeglichen und isst halt andere Sachen, wenn er Hunger bekommt)
  • Der will doch nichts anderes mehr essen (siehe oben)
  • Der kriegt doch ein komisches Verhältnis zu Brüsten (Entschuldigung! Aber wofür sind Brüste denn da?)
  • Das ist ja ekelhaft (ich verstehe nicht, warum man irgendwo hinguckt, wenn es einen ekelt und ich bemühe mich auch aus Eigeninteresse stets, meine Brüste bedeckt zu halten)

Solche und ähnliche Aussagen werden nun immer öfter gemacht, wenn ich Männlein stille. Ich erkläre dann immer, dass ich ja auch nicht ewig weiter stillen will. Aber zwei Jahre finde ich eigentlich ganz machbar… zwei Jahre werden übrigens auch von der WHO empfohlen, da das auch die Zeit ist, in der die Muttermilch den gleichen Gehalt für das Kind hat, wie direkt nach der Geburt. Man tut also etwas sehr gesundes für das Kind. Und es kostet? Nichts!

Das natürliche Abstillalter liegt übrigens zwischen zwei und etwa sieben Jahren. So lange möchte ich sicher nicht stillen, aber solange es für mich und Männlein noch stimmt, werde ich nicht damit aufhören… und zum Abschluss werde ich mir als Muttermilchschmuck einen Ring machen lassen, der meinen verlorenen Ehering ersetzen wird.